15.12.2014
Montanuniversität Leoben

Potenziale zur Heizzeitverkürzung gehoben

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Lesedauer: 6 Minuten.

Der Anteil der Heizzeit zählt im Gesamtprozess des Spritzgießens von Elastomeren zu den wesentlichen Schlüsselfaktoren mit Optimierungspotenzial. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Heizzeitverkürzung“ an der Montanuniversität Leoben (Österreich) wurden die Prozesseinflussfaktoren […]

Technikum und Maschinenhalle Kunststofftechnik der Montanuniversität Leoben. (Foto: Montanuniversität Leoben)

Technikum und Maschinenhalle Kunststofftechnik der Montanuniversität Leoben. (Foto: Montanuniversität Leoben)

Der Anteil der Heizzeit zählt im Gesamtprozess des Spritzgießens von Elastomeren zu den wesentlichen Schlüsselfaktoren mit Optimierungspotenzial. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Heizzeitverkürzung“ an der Montanuniversität Leoben (Österreich) wurden die Prozesseinflussfaktoren auf den Einspritz- und Heizvorgang systematisch untersucht und Optimierungsstrategien für die Verarbeitungspraxis abgeleitet. Das Verständnis der strömungstechnischen und thermodynamischen Vorgänge während der Einspritzphase konnte im Rahmen der experimentellen Untersuchung wesentlich verbessert werden. Praktische Bedeutung hat ein neues Berechnungsprogramm zur Abschätzung der im Einspritzvorgang erzielbaren Massetemperatur, sowie der Heizzeitverkürzung (Heizzeitrechner), welches Elastomerverarbeiter nun gezielt zur Verbesserung ihrer Prozesse einsetzen können.

Projektleiter Dr. Leonhard Perko erstellte im Projekt ein empirisch verifiziertes Programm zur Berechnung der Temperaturerhöhung von Kautschukmischungen im Einspritzvorgang. Ein weiteres Modul ermöglicht es Anwendern, das Potenzial einer möglichen Heizzeitverkürzung bereits vor der Prozessoptimierung abzuschätzen. Eine programmunterstützte Reduktion der Heizzeit, unter Sicherstellung der vollständigen Formteilvernetzung, ermöglicht es, den Zyklus signifikant kürzer zu gestalten, wodurch eine Minimierung des energetischen Aufwands erzielt werden kann. Zudem wurde das Potenzial zur Massetemperaturerhöhung mittels gekoppelter Scher- und Dehnerwärmung in einer konischen Düse messtechnisch erfasst und im Berechnungsprogramm abgebildet. Im Rahmen dieses Projektes wurde auch die Kompressionserwärmung in Kautschukmischungen erstmals wissenschaftlich untersucht.

Berechnungsmodell für die gekoppelte Scher- und Dehnerwärmung in konischen Düsen

Massetemperatur als Funktion des Düsenwinkels; Vergleich zwischen Messung und Berechnung (Versuchsmischung NBR). (Abb.: Montanuniversität Leoben)

Massetemperatur als Funktion des Düsenwinkels; Vergleich zwischen Messung und Berechnung (Versuchsmischung NBR). (Abb.: Montanuniversität Leoben)

Basis der Betrachtung der Scher- und Dehnerwärmung in konischen Düsen bildeten die analytischen Modelle nach Cogswell und Binding. Zur praktischen Verifikation wurde auch das Strömungsfeld im Düseneinlauf experimentell untersucht. Dabei ergaben sich bei Düsenwinkeln >45° Totstellen in den Ecken, die kaum durchströmt wurden. Die Messung der Massetemperatur nach dem Durchströmen jener konischen Düse diente der Verifikation des Berechnungsmodells. Die Abbildung zeigt die gemessenen Temperaturerhöhungen über den Düsenwinkel bei unterschiedlichen Einspritzgeschwindigkeiten (durchgehende Linien). Die schraffierten Linien zeigen die mit dem neuen „Perko-Berechnungsmodell “ ermittelten Werte.

Die maximal erzielten Temperaturerhöhungen lagen bei bis zu 70 °C. Eine Abhängigkeit der Massetemperatur vom Winkel der Düse ist im Bereich zwischen 20° und 45° gegeben. Höhere Düsenwinkel veränderten das Ergebnis nicht weiter.

Untersuchung der mittels konischer Düsen erzielbaren Heizzeitverkürzung

Versuchswerkzeug zur Ausnutzung der Scher- und Dehnerwärmung für die Heizzeitverkürzung. (Abb.: Montanuniversität Leoben)

Versuchswerkzeug zur Ausnutzung der Scher- und Dehnerwärmung für die Heizzeitverkürzung. (Abb.: Montanuniversität Leoben)

Die kombinierte Scher- und Dehnerwärmung in konischen Düsen konnte mittels eines neuen Berechnungsmodells beschrieben werden. Mit einem Versuchswerkzeug wurden bei unterschiedlichen Prozessbedingungen Formteile gespritzt. Diese Teile wurden auf Härte, Druckverformungsrest (DVR) sowie im Zugversuch überprüft. Vor allem der DVR in der Mitte der Formteile gilt als guter Indikator für den kritischen Vernetzungszustand des Bauteils.

Die praktischen Versuche ergaben, dass sich die Einspritzarbeit als Haupteinflussgröße auf die Temperaturerhöhung der elastomeren Formmasse auswirkt und die dadurch erzielbare Heizzeit die anderen Effekte überdeckt. Eine weitere Optimierung der konischen Geometrien ergab keine Verbesserung zum Stand der Technik.

Heizzeitverkürzung mittels Kompressionserwärmung

Zudem wurde das Potenzial der Kompressionserwärmung in Kautschukmischungen zur Verkürzung der Heizzeit untersucht. Die gemessenen Werte für die Kompressionserwärmung betragen bei 1.800 bar Druckerhöhung etwa 10 °C. Der gezielte Einsatz der Kompressionsphasen im Zyklus führte jedoch zu keinen merklichen Verbesserungen der Bauteilqualität und zu keiner signifikanten Verkürzung der Heizzeit.

Fazit: Die Kompressionserwärmung eignet sich nicht zur Heizzeitverkürzung. Ursachen hierfür liegen einerseits in der relativ geringen erreichbaren Temperaturerhöhung und andererseits auch darin, dass ein Großteil der generierten Wärme durch die etwas niedriger temperierten Wände der Spritzeinheit wieder abgeführt wird.

Berechnungsprogramm zur Abschätzung der Heizzeitverkürzung (Heizzeitrechner)

Untersucht wurde das rechnerische Potenzial zur Heizzeitverkürzung in Abhängigkeit von der Formteildicke. Die Untersuchungen zeigten, dass sich die Heizzeit von Formteilen mit einer Dicke unter 4 mm kaum verkürzen lässt. Das Potenzial steigt mit steigender Werkzeugtemperatur und steigender Bauteildicke. Projektleiter Dr. Perko: „Der Heizzeitrechner als neues Berechnungsprogramm dient zur validen Abschätzung der möglichen Heizzeitverkürzung. Elastomerverarbeiter können nun gezielt ihre Prozesse sowie Werkzeug- und Düsenkonzepte optimieren.“ Kautschukverarbeitende Betriebe können den Heizzeitrechner über die Projektpartner nutzen.

Ergebnisse und Ausblick

Um die gesetzten Ziele zu erreichen, wurde, basierend auf Kenntnissen aus der Literatur, zunächst ein Modell entwickelt, welches die Strömung in konischen Düsen und die damit verbundene überlagerte Scher- und Dehnerwärmung beschreibt. Weitestgehend parallel wurde die Messung der entsprechenden Materialdaten durchgeführt und eine Verbesserung des Standes der Technik der Methoden zur Scher- und Dehnviskositätsmessung am Hochdruckkapillarrheometer vorgenommen.

Die Verifikation der vorgenommenen Massetemperaturberechnung im Modellversuch erfolgte an einer Gummispritzgießmaschine Maplan MTF750/160edition. Zudem wurde die Kompressionserwärmung in Kautschukmischungen charakterisiert. Die in diesem Bereich durchgeführten Messungen der Kompressionserwärmung zeigten gute Übereinstimmung zu Berechnungsergebnissen mittels der Joule-Thompson-Gleichung. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde ein entsprechendes Verfahren zur Herstellung von Formteilen mit Kompressionserwärmung entwickelt und praktisch getestet.

Im Bereich der Dehnerwärmung wurde ein Prototypenwerkzeug entwickelt und in praktischen Versuchen an einer Maplan-Gummispritzgießmaschine getestet. Dabei konnten viele für die Praxis relevante Erkenntnisse zum Einspritzvorgang gesammelt werden. Allerdings stellte sich heraus, dass die erzielbare Heizzeitverkürzung ausschließlich von der eingebrachten Einspritzarbeit abhängig ist. Damit scheint die Düsengeometrie, solange der nötige Strömungswiderstand gegeben ist, um die entsprechende Einspritzleistung aufzubringen, von untergeordnetem Einfluss zu sein. Aus diesem Grund wurde von einer aufwendigen Optimierung der Geometrie der konischen Düsen zugunsten einer signifikanten Verbesserung des Berechnungsmodells für die Temperaturermittlung (unter Berücksichtigung der axialen, radialen und tangentialen Geschwindigkeitskomponente in der Einlaufströmung) Abstand genommen.

Projekt FFG-Bridge „Heizzeitverkürzung“

Das FFG-Bridge-Projekt „Heizzeitverkürzung“ wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert. Industrielle Projektpartner des Konsortiums waren die Unternehmen Erwin Mach Gummitechnik GmbH, Hirm, Maplan GmbH, Ternitz, und Semperit technische Produkte GmbH, Wimpassing.

www.kunststofftechnik.at
www.erwinmach.com
www.semperitgroup.com
www.maplan.at

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