17.07.2023
Freudenberg Sealing Technologies

Wärmeleitend und elektrisch isolierend

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Lesedauer: 5 Minuten.

Ein neues Silikonmaterial, das sich im Spritzgießen verarbeiten lässt, sowie auf verbreiteten Substraten wie Kunststoffe, Aluminium und Kupfer haftet und somit Rauigkeiten ausgleicht, hat bereits in mehreren Automobilprojekten sein Potenzial bewiesen.

Vielseitigkeit war das Ziel von Freudenberg Sealing Technologies, Weinheim, bei der Entwicklung dieses neuen Elastomers. Es vereint scheinbar gegensätzliche Eigenschaften, denn es leitet Wärme gut und ist zugleich elektrisch isolierend. Allen Kundenprojekten gemeinsam ist eine erhebliche Komplexität.

Ein Beispiel: der Ladeanschluss eines Elektroautos. Dieser ist bei einem namhaften Autohersteller bereits seit einiger Zeit mit großen Stückzahlen in der Serienfertigung. Hinter der Ladeklappe zeigt das Fahrzeug einen üblichen mehrpoligen Anschluss für das Ladekabel, eingelassen in eine unscheinbare Kunststofffront. Unsichtbar beginnt direkt dahinter ein Hightech-Bereich. Dort befinden sich mehrere Komponenten, die in ihrem Zusammenspiel maßgeblich sind für das Thermomanagement des Ladevorgangs: eine Platine mit Temperatursensoren sowie Mess- und Regelelektronik für das Lademanagement, sicher untergebracht in einem etwa handtellergroßen Gehäuse. Dieses stellt über das integrierte neuartige Thermal Interface Material (TIM) zugleich eine hohe Wärmeleitfähigkeit zwischen Gehäuse und Sensoren her: Es nimmt den Wärmestrom über die mit der Batterie verbundenen Kupferleitungen auf, leitet diesen an die Temperatursensoren weiter und unterstützt so einen schnellen Aufbau der Laderegelung inklusive kontinuierlichem Thermomanagement der Fahrzeugbatterie.

Das neue Silikonmaterial kommt bspw. für eine Ladesteckerdichtung zum Einsatz. (Abb.: Freudenberg Sealing Technologies)

Das neue Silikonmaterial kommt bspw. für eine Ladesteckerdichtung zum Einsatz. (Abb.: Freudenberg Sealing Technologies)

Das Zweikomponenten-Kunststoffgehäuse hat eine komplexe dreidimensionale Geometrie, da die Anschlusspole des Ladesteckers hindurchführen. Es fixiert die biegeempfindliche Platine zuverlässig und unterstützt eine einfache Montage: Die Elektronikeinheit wird über Schnappverbindungen eingeklipst. Das neuartige Elastomer unterstützt eine präzise Kontaktierung und schirmt zugleich mit seiner elektrischen Isolationsfähigkeit die empfindliche Elektronik gegenüber der Ladespannung von bis zu 800 V ab. Freudenberg Sealing Technologies stellt das Gehäuse mit aufgespritztem Elastomer her und liefert es an einen Automobilzulieferer, der das Modul wiederum einbaufertig für den Automobilhersteller erstellt. Dieser verbaut es in großen Stückzahlen in Serienfahrzeugen.

Prädestiniert für komplexe Anwendungen

„Dieses Projekt war ganz nach unserem Geschmack. Denn unser Werkstoff ist prädestiniert für eine Vielzahl komplexer elektrischer Anwendungen. Mit seinen zahlreichen Eigenschaften liefert es die richtigen Antworten“, sagt Armin Striefler, Produkt- und Prozessentwickler bei Freudenberg Sealing Technologies. „Ein wichtiger Vorteil für effiziente Serienprozesse: Das Elastomermaterial lässt sich im Spritzguss verarbeiten. Das macht eine Nutzung zugleich sehr flexibel. Denn nahezu alle dreidimensionalen Geometrien sind möglich und haften aufgrund der Materialeigenschaften stets optimal am Substrat – ob Kunststoff oder Metall. Es lässt sich direkt aufspritzen und benötigt keine vorherige Grundierung.“

Silikon ist von Haus aus thermisch isolierend. Für den neuen Werkstoff wird es mit anorganischen Füllstoffen vermischt, die es wärmeleitfähig machen. Dabei handelt es sich um spezielle nichtleitende Metallverbindungen.

Höchstwerte bei wichtigen Kennzahlen

Einige Eckwerte des neuartigen Thermal Interface Material: Die thermische Leitfähigkeit liegt bei 1,7 bis 2 W/m/K. Zum Vergleich die Wärmeleitfähigkeit von Luft: diese liegt bei 0,026 W/m/K. Der Verarbeitungsprozess ermöglicht dünnwandige Bauteile. Das ist entsprechend der Wärmegleichung aus der Fourier-Gleichung gut für die Wärmeleitfähigkeit. Im erwähnten Projekt hat das Elastomer unterhalb des Temperatursensors eine Dicke von lediglich 0,8 mm. „Mit Dicken zwischen 0,8 und 3 Millimeter haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Striefler. „Physikalisch bedingt nimmt die Wärmeübertragung bei größeren Wandstärken ab.“ Das Material erreicht einen CTI-Wert von 600 und damit die bestmögliche Schutzklasse für die Kriechstromfestigkeit. Die elektrische Durchschlagfestigkeit liegt bei mehr als 10 kV/mm. Damit stellen die üblichen Prüfspannungen von 2,4 bis 4 kV das Material vor keine besonderen Herausforderungen. Die Härte liegt bei rund 35 Shore A.

Ein klarer Pluspunkt ist die Verarbeitung im Spritzgießprozess. Durch den spezifischen Produktionsprozess werden Lufteinschlüsse sowohl im Elastomer als auch an den Kontaktflächen mit anderen Materialien vermieden. Diese können sonst zu elektrischen Problemen führen, etwa zu Spannungsdurchschlägen. Brandbeständig ist das Material nach UL94 mit der Klassifikation V0 und damit der höchstmöglichen Sicherheitsstufe.

Breites Einsatzspektrum

In zahlreichen elektrischen Anwendungsfällen ist eine wirkungsvolle Wärmeableitung Voraussetzung für einen effizienten Prozess – überall dort, wo erhebliche Rechenleistungen erforderlich sind oder hohe Ströme fließen. Typische Applikationen kommen derzeit aus der Elektromobilität und nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Anforderungen bei einer Ladespannung von 800 V, die sich in Elektrofahrzeugen immer mehr durchsetzt. Dazu gehören beispielsweise gekühlte Stromschienen (Busbars) in Traktionsbatterien. Diese erwärmen sich insbesondere beim Schnellladen oder bei hoher Leistungsabgabe vergleichsweise stark.

Für das gezielte Entwärmen technischer Komponenten sind Material und Verfahren prädestiniert. Mit einem dreidimensional gestalteten Formteil kann dies in direktem Kontakt zu den elektronischen Bauelementen erfolgen. Das Einsatzspektrum ist groß. Davon zeugt beispielsweise ein ölresistentes TIM, das derzeit bei Freudenberg Sealing Technologies in der Vorentwicklung ist. Ein solches Material erweitert die Einsatzmöglichkeiten noch einmal erheblich. „Wir sind offen für kniffelige Fragestellungen“, fasst Striefler zusammen. „Denn genau da ist das Material in seinem Element.“

www.fst.com

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