20.07.2023
UFZ

Polyamid aus Holzabfällen

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Lesedauer: 4 Minuten.

Ein Forschungsteam des UFZ und der Universität Leipzig haben ein ressourcenschonendes Verfahren zur Herstellung des Polyamid-Bausteins Adipinsäure aus Phenol entwickelt. Zudem wurde gezeigt, dass das Phenol durch Abfallstoffe aus der Holzindustrie ersetzt werden kann.

„Unser Ziel ist, die gesamte Produktionskette von Polyamid grün zu machen. Das ist möglich, wenn wir auf biobasierte Abfälle als Ausgangsstoffe zugreifen und den Syntheseprozess nachhaltig gestalten“, sagt Prof. Dr. Falk Harnisch, Leiter der Arbeitsgruppe Elektrobiotechnologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Wie das gelingen kann, haben die Leipziger Forscher um Falk Harnisch und Dr. Rohan Karande vom Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie b-ACTmatter der Universität Leipzig in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Green Chemistry beschrieben.

So besteht Polyamid zu rund 50 % aus Adipinsäure, die bisher industriell aus Erdöl gewonnen wird. In einem ersten Schritt wird dabei Phenol zu Cyclohexanol umgewandelt, das dann zur Adipinsäure umgesetzt wird. Für diesen energieintensiven Prozess sind hohe Temperaturen, ein hoher Gasdruck und organische Lösungsmittel notwendig, zudem werden viel Lachgas und Kohlendioxid freigesetzt.

Die Forscher haben nun ein Verfahren entwickelt, in dem sie Phenol mithilfe eines elektrochemischen Prozesses in Cyclohexanol umwandeln können. „Die dahinterstehende chemische Umwandlung ist dieselbe wie bei den etablierten Verfahren: Die elektrochemische Synthese ersetzt jedoch das Wasserstoffgas durch elektrische Energie, findet in wässriger Lösung statt und braucht dafür lediglich Umgebungsdruck und Raumtemperatur“, erläutert der Elektrobiotechnologe Falk Harnisch. Damit diese Reaktion möglichst schnell und effizient läuft, braucht es einen geeigneten Katalysator. Dieser soll die Ausbeute an Elektronen, die für die Reaktion notwendig sind, und die Effizienz, wie viel Cyclohexanol letztlich aus Phenol entsteht, maximieren. In Laborexperimenten zeigten sich die besten Ausbeuten mit einem auf Kohlenstoff basierten Rhodium-Katalysator mit fast 70 % an Elektronen und knapp mehr als 70 % Cyclohexanol.

„Die relativ kurze Reaktionszeit, die effiziente Ausbeute und die effektive Energienutzung sowie Synergien mit dem biologischen System machen dieses Verfahren für eine kombinierte Produktion von Adipinsäure attraktiv“, urteilt Dr. Micjel Chávez Morejón, UFZ-Chemiker und Erstautor der Studie.

Wie in einem zweiten Schritt das Bakterium Pseudomonas taiwanensis Cyclohexanol in Adipinsäure umwandelt, hatten bereits in einer früheren Forschungsarbeit zwei andere UFZ-Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Katja Bühler und Prof. Dr. Bruno Bühler herausgefunden. „Bislang war es nicht gelungen, die Reaktion von Phenol zu Cyclohexanol mikrobiell ablaufen zu lassen. Diese Lücke haben wir durch die elektrochemische Reaktion geschlossen“, bilanziert Dr. Rohan Karande, der diese Arbeiten in Kooperation mit dem UFZ jetzt an der Universität Leipzig fortsetzt.

Und noch eine weitere Lücke einer grünen Polyamid-Produktion konnten die Leipziger Forscher schließen, indem sie perspektivisch eine umweltfreundliche Alternative für das aus fossilen Ausgangsstoffen produzierte Phenol entwickelten. Dafür setzten sie Monomere wie beispielsweise Syringol, Catechol oder Guaiacol ein, die allesamt als Abbauprodukt von Lignin – einem Abfallprodukt der Holzwirtschaft – anfallen. „Wir haben für diese Modellsubstanzen zeigen können, dass wir gemeinsam den Weg bis zur Adipinsäure gehen können“, sagt Falk Harnisch. Rohan Karande ergänzt: „Weltweit werden rund 4,5 Millionen Tonnen Adipinsäure hergestellt. Wenn wir dafür Holzreststoffe erschließen, hätte das einen entscheidenden Einfluss auf den Weltmarkt.“

Bis das ligninbasierte Polyamid marktreif wird, ist es allerdings noch ein weiter Weg. So haben die Wissenschaftler für den 22-stündigen Gesamtprozess, also von den Monomeren aus Ligninresten mittels elektrochemischer und mikrobieller Reaktionsschritte hin zur Adipinsäure, bislang eine Ausbeute von 57 % erzielt. „Das ist eine sehr gute Ausbeute“, sagt Micjel Chávez Morejón. Noch basieren die Ergebnisse aber auf Laborversuchen im Milliliter-Maßstab. Deswegen sollen in den nächsten beiden Jahren die Voraussetzungen geschaffen werden, um das Verfahren in den Litermaßstab zu bringen. Für diesen Technologietransfer ist nicht nur ein besseres Verständnis des gesamten Prozesses notwendig, sondern unter anderem auch der Einsatz von echten statt wie bislang modellhaften Ligninmischungen und die Verbesserung der elektrochemischen Reaktoren. Falk Harnisch und Rohan Karande sind sich einig: „Das Verfahren für das ligninhaltige Polyamid zeigt exemplarisch das große Potenzial elektrochemisch-mikrobieller Prozesse, da durch die intelligente Art der Kombination verschiedener Komponenten eine optimale Prozesskette aufgebaut werden kann.“

www.ufz.de

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